Flüchtig, zärtlich, mysteriös -Begegnungen in den Gemälden von Christoph Bartolmäs

Glänzendes Gefieder, zotteliger Pelz, samtenes Fell, panzerartige Haut: Die Tierwelt in ihrer schillernden Vielfalt fasziniert Christoph Bartolmäs. Seine Gemälde zeigen die Tiere im Zoo in ihrer natürlichen Anmut, oft in Begegnung mit dem Menschen. Ein kleiner rothaariger Junge im leuchtend gelben T-Shirt hockt in Rückenansicht vor farbenprächtigen Königsgeiern, die ihn aufmerksam beäugen; ein blondes Mädchen in roter Daunenjacke betrachtet einen tiefschwarzen Schimpansen. Interesse trifft auf scheinbare Teilnahmslosigkeit, ein geheimer Dialog entsteht über die Absperrung. Diese Situationen entbehren oft nicht einer gewissen Komik oder aber einer subtilen Zärtlichkeit. In einigen Bildern entsteht eine surreale Atmosphäre bei diesen Begegnungen. Trotz der Tendenz zu artgerechterer Haltung, mit der sich auch Christoph Bartolmäs 2002, damals noch als Architekturstudent, mit der Vision einer großzügigen gehegefreien Anlage befasste, finden sich in den Zoos heute noch immer die engen Käfige aus den Anfängen der Zootierhaltung. Als lebende Exponate, klassifiziert und mit der ausführlicher Beschreibung ihrer ursprünglichen Gewohnheiten versehen, dienten sie der Unterhaltung des neugierigen Publikums. Rilke suchte, in seinem Gedicht „Der Panther“ die vermeintliche Sicht des leidenden Tieres zu erfassen, enthüllte aber gleichzeitig das Zootier als Projektionsfläche für den Betrachter. Während der US-amerikanische Künstler Walton Ford die Grenze zwischen Mensch und Tier verwischt, Wildtiere mit menschlichen Verhaltensweisen ausstattet und sie grausam gegeneinander agieren lässt, bleiben Christoph Bartolmäs’ Leoparden und Hyänen von derlei Aufladung verschont. Sie stehen vielmehr in der Tradition der Menagerie-Bilder eines Jean-Baptiste Oudrys, dessen Tierdarstellungen aus dem 18.Jh. allerdings suggerieren, er habe die Tiere in freier Wildbahn gemalt, und Gehege und Gitter verhehlen. Christoph Bartolmäs isoliert die Tiere nicht von ihrer Umgebung, sie sind sichtbar vom Menschen durch Zäune und Gitter getrennt. Der Maler verwendet unterschiedliche Malweisen in einem Bild: Das Panzernashorn steht als akribische Studie dem flüchtig hinskizzierten Pfleger mit der Futtertonne gegenüber.Es scheint aus lange vergangenen Zeiten zu entspringen und erinnert an Albrecht Dürers 1515 entstandenem Holzschnitt „Rhinocerus“. Die Faszination am exotischen Geschöpf sowie Lust an seiner Darstellung haben sich seit 500 Jahren nicht verändert..

In seinen Stadtbildern collagiert Christoph Bartolmäs Orte, Zeiten und Menschen zu halbrealen, halbimaginierten Kompositionen, die im Gewand der Alltagsszene daher kommen. Ein Berliner Mädchen mit raffiniert spitzendurchbrochenen Rückenausschnitt, suchend über die Schulter schauend, schiebt sein Fahrrad durch eine Budapester Straßenflucht. Ein alter Mann mit Hut im verlorenen Profil versetzt Christoph Bartolmäs auf eine Brücke in Venedig. Sein Blick entzieht sich dem Betrachter. Der fangfrische Schwertfisch auf dem Fischmarkt in Catania wird in Stücken feilgeboten – eine Studie sinnlicher Opulenz, die, wie im barocken Stillleben ihre Vergänglichkeit schon in sich trägt. Die Männer, die im Hintergrund das Geschehen überblicken, montierte der Künstler ins Bild hinein. Das Mädchen, das im Fenster eines Cafés sitzt und ihrem Freund etwas in Ohr zu flüstern scheint, blickt gleichzeitig über die Schulter auf die Straße. Eine verschwommene Figur, die in ihren zerfließenden Konturen an die Holzschnitte von Edvard Munch erinnert, spiegelt sich von außen in der Scheibe und bildet einen spannungsvollen Kontrast zum Szene im Inneren des Cafés. Ein rascher Blick, eine überraschende Geste, gebannt in inszenierte Wirklichkeit: Sie machen die Lebendigkeit von Bartolmäs’ Gemälden aus. Ganz real dagegen ist das Bild „Oma in der Küche“ – in der geblümten Kittelschürze an ihrem Stammplatz am Küchentisch sitzend, umgeben von den wenigen Dingen eines genügsamen Lebens, der Blick in sich gekehrt: Christoph Bartolmäs’ Hommage an eine besondere Frau, an das Alter, an die Vergangenheit, an das Leben, das mit den Kindern, - die am Brunnen und auf den Straßen spielen oder Tiere beobachten -, wieder neu beginnt.

Katharina Helwig